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Fan-Adventure Baphomets Fluch 2.5

Hobby-Templer

von Tim Schürmann (mit Dank an Georg Fuchs und Arndt Dettke)
Das langsam ausklingende Jahr 2008 schien die spielende Bevölkerung mit hochkarätigen Hobby-Adventures regelrecht zu überschwemmen. Erst sorgte Dirty Split für gepflegten Krimispaß, anschließend reizte Zak McKracken: Between Time and Space die Lachmuskeln. Den krönenden Abschluss bildet seit Mitte September das lang erwartete Baphomets Fluch 2.5. Ob wirklich aller guten Dinge drei sind, klärt ein kleiner Test.

Mitte der 90er Jahre eroberte ein kleines Entwicklerstudio namens Revolution Software die Herzen vieler Adventurespieler. Zwar hatte man zuvor schon mit „Lure of the Temptress“ und „Beneath a Steel Sky“ Achtungserfolge erzielt, Baphomets Fluch übertrumpfte jedoch mit bombastischen Animationen, feiner Sprachausgabe, einer fesselnd erzählten Hintergrundgeschichte und einer genial einfachen Bedienung nicht nur die Produkte aus dem eigenen Haus. In der Rolle des Amerikaners George Stobbart und an der Seite der französischen Journalistin Nicole Collard muss der Spieler die Beschwörung des Dämons Baphomet durch die letzten verbliebenen Anhänger des Tempelritterordens verhindern. Trotz des mystischen Grundtons hatte man jederzeit das Gefühl, sich mitten in einem spannenden Thriller zu befinden. Die Eingangszene, in der ein Clown ein malerisches Café in die Luft jagt, ging in die Adventure-Geschichte ein.

Fortsetzung folgt

Durch den Erfolg beflügelt, erschien nur ein Jahr später unter dem Titel „Baphomets Fluch II: Die Spiegel der Finsternis“ ein würdiger Nachfolger. Diesmal geraten die beiden Protagonisten in die Fänge eines Drogenrings, der sich nebenbei mit dem Maya-Kult beschäftigt. Auch dieser Teil glänzte mit zahlreichen mystischen Elementen, schöner 2D-Grafik und der bis dato üblichen Point-and-Click-Steuerung.

Damit sollte jedoch bei der dritten Auflage Schluss sein. 3D-Grafik war hip, Playstation 2 und Xbox verkauften sich wie geschnitten Brot. Revolution Software sprang auf den Zug auf und stellte seine Adventurereihe auf 3D-Grafik mit einer umständlichen Tastatursteuerung um – auf dass das Spiel auch für Konsolen geeignet sei. Zwar gab es auch diesmal wieder eine packend erzählte Hintergrundgeschichte, die Grafik hinkte jedoch dem damals aktuellen Stand der Technik hinterher und überproportional viele Rätsel bestanden aus dem Verschieben von Holzkisten – Sokoban ließ grüßen. Gerade letzteres brachte der Serie Häme, einen hohen Bekanntheitsgrad und zahlreiche Anspielungen in verschiedenen Konkurrenzadventures ein.

Selbsthilfe

Eine kleine Gruppe von Fans sah das Drama bereits frühzeitig kommen und begann 2001 unter dem Namen mindFactory kurzerhand die Arbeit an einem eigenen Fan-Adventure. Es sollte die Tugenden der ersten beiden Teile fortsetzen, eine ebenso umfassende Geschichte präsentieren, zurück zu bekannten Schauplätzen führen und die recht lange Spielzeit der ersten beiden Teile erreichen. Um es gleich vorweg zu nehmen: Zwei dieser Vorhaben konnte die Truppe um Teamleiter Daniel Butterworth leider nicht einlösen.

Wie der Titel „Baphomets Fluch 2.5: Die Rückkehr der Tempelritter“ bereits andeutet, spielt die Handlung zeitlich nach dem offiziellen zweiten Teil: Während George wieder einmal in der Weltgeschichte herumreist, ereilt ihn die Nachricht von Nicos Tod. Sofort macht er sich auf den Weg nach Paris, wo er seine Freundin jedoch gesund und munter antrifft. Merkwürdigerweise ist die Fotojournalistin über das Wiedersehen alles andere als erfreut und setzt George umgehend wieder vor die Tür. Dort trifft der Protagonist auf den Verkaufsstand einer alten Bekannten: der hellseherischen Blumenverkäuferin. Von ihr erfährt der Spieler, dass Nico nicht nur eine Weile verschwunden war, sondern sich auch noch mit Georges altem Rivalen André Lobineau getroffen hätte. Über genau diesen stolpert man nur kurze Zeit später bei einem kleinen Rundgang durch Paris. Zur Rede gestellt, behauptet er hartnäckig, Nicole hätte einen Anschlag auf den Bürgermeister verübt. Wie sich im Laufe der umgehend eingeleiteten eigenen Ermittlungen herausstellt, sind die Templer aus dem ersten Teil nach wie vor aktiv und Nicole offenbar mitten in ihre Aktivitäten verstrickt. Während man gemeinsam mit George weiter Licht in die ziemlich geheimnisvollen Verstrickungen bringt, trifft man immer wieder auf vertraute Gesichter aus den ersten beiden Baphomet-Teilen, wie die nicht besonders cleveren Ganoven Guido und Flap, das gut genährte Touristenehepaar oder einen längst tot geglaubten Auftragskiller. Dabei haben die Macher sorgfältig darauf geachtet, dass auch Serien-Neulinge ohne Vorkenntnisse nichts verpassen.

Lenkhilfe

Wie bei den großen Vorbildern steuert man George und später Nicole komplett mit der Maus durch liebevoll und detailreich gezeichnete Landschaften. Einen krassen Gegensatz dazu bilden die gerenderten und mitunter etwas kargen Zwischensequenzen, die zwar ebenfalls hübsch anzusehen sind, aber irgendwie nicht zum restlichen 2D-Look passen. Insbesondere George wirkt in der dritten Dimension kantig und erinnert kaum noch an sein plattes Vorbild.

Wer die ersten beiden Baphomet-Teile gespielt hat, kommt direkt mit dem Fan-Adventure zurecht: Per Mausklick wandert die Spielfigur los. Fährt man hingegen mit dem Zeiger über einen Gegenstand, lässt sich dieser über die rechte Maustaste begutachten und eventuell mit der linken aufheben oder benutzen. Genommene Gegenstände sammeln sich am unteren Bildschirmrand. Mit einem Klick ergreift man dort einen von ihnen, ein weiterer kombiniert ihn mit einem anderen Objekt in der Landschaft.

Spürnase

Da sich viele Gegenstände extrem gut in ihrer Umgebung verstecken, ist man recht häufig gezwungen, den Bildschirm penibel nach brauchbarem Material abzusuchen (sogenanntes „Pixel Hunting“). Wer dem aus dem Weg gehen möchte, drückt einmal die Leertaste. Sie aktiviert eine Rätselhilfe, die alle benutzbaren Gegenstände optisch hervorhebt. Offenbar von „Runaway“ haben die Macher die Unsitte übernommen, nach der einige Gegenstände mehrfach hintereinander inspiziert werden müssen. So spuckt Nicos Handtasche immer wieder neue nützliche Dinge aus und die Zeitung der Blumenfrau wird erst dann so richtig wertvoll, wenn man sie eigentlich schon längst im Inventar vergessen hat.

Die Puzzles selbst schwanken zwischen extrem einfach, bockschwer und ziemlich abgedreht. Beispielsweise verlangt ein Obdachloser im Austausch gegen seine Taschenlampe ein Damenhöschen. Teilweise erscheinen die Rätsel auch unmotiviert und unlogisch, wie im Hotel Ubu, in dem die benötigte Zimmerreservierung gut sichtbar auf dem Boden liegt. Insgesamt gibt sich Baphomets Fluch 2.5 zu geradlinig: Sofern man fleißig alle möglichen Gespräche führt, kommt man schnell auf des Rätsels Lösung. Viele Handlungsmöglichkeiten hat man in den meisten Fällen ohnehin nicht. So bleiben beispielsweise im Hotel Ubu nur der Mitarbeiter und das Kind als einzige Interaktionspartner.

Mystische Erzählung

Die Hintergrundgeschichte von Baphomets Fluch 2.5 beginnt atmosphärisch stark inszeniert und steht ihren Vorgängern zunächst in nichts nach. Dann jedoch ereilt sie das Schicksal so vieler Fan-Adventures: Die viel zu große Rahmenhandlung wird in ein zu kleines Spiel gequetscht. Die Folge sind Sprünge, unlogisch erscheinende Phasen und ein viel zu schnell und auch etwas unmotiviert heranbrausendes Ende. Bestes Beispiel für die Erzählung im Zeitraffer liefert die U-Bahnfahrt in England: Extrem dramatisch und spannend aufgebaut, entgleist der Zug mitsamt der beiden Helden an Bord. Die sich dann jedoch überschlagenden Ereignisse wirken aufgesetzt und hinterlassen zu viele Fragen: Nur Nicole ist verschwunden, obwohl George gerade noch direkt neben ihr stand, mit einer entdeckten Bombe wird flugs eine verklemmte Tür gesprengt und im nächsten Moment steht der Hauptdarsteller - Simsalabim - mitten auf einer Kreuzung in einem kleinen, englischen Dorf. Warum dies alles überhaupt geschieht, klärt erst ein langer Monolog kurz vor Ende des Spiels, wirklich überzeugen kann diese Auflösung allerdings nicht. Außerdem überraschen immer mal wieder unlogische Wendungen in der Geschichte. Beispielsweise wird der Mann, der George gerade noch umbringen wollte, nur zwei Minuten später zu einem engen Verbündeten.

Immerhin wurden die hervorragenden Sprecher professionell aufgenommen und sorgen für eine stimmige Atmosphäre. Lautstärkeschwankungen, wie sie bei Zak McKracken: Between Time and Space hin und wieder störten, bleiben hier aus.

Fazit

Baphomets Fluch 2.5: Die Rückkehr der Tempelritter ist ein zweischneidiges Schwert. Sprecher, Grafik und solide Technik lassen Fans der Reihe schnell warm werden und zeugen davon, mit was für Enthusiasmus und Professionalität die Macher an ihr Projekt herangegangen sind. Das Ergebnis wäre somit eigentlich uneingeschränkt empfehlenswert, wären da nicht zwei größere Knackpunkte. So startet die Geschichte zunächst stark, will dann aber zu viel Inhalt in zu kurzer Zeit erzählen. Weniger wäre hier sicherlich mehr gewesen. Genau das Gegenteil hätte man sich bei den Rätseln gewünscht, die teilweise recht aufgesetzt wirken und meist nicht besonders viel Hirnschmalz erfordern. Wer Adventurespiele mag, sollte nichtsdestotrotz einen Blick riskieren – schließlich ist Baphomets Fluch 2.5 komplett kostenlos [1].

Infos 
[1] Homepage von Baphomets Fluch: http://www.baphometsfluch25.de

Version 1, veröffentlicht am 28.12.2008

Copyright (C) 2008 Tim Schürmann
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