Fast jeder, der vor dem Mauerfall aufgewachsen ist, kennt die guten alten Bastelbögen. Meist über Zeitschriften wie Yps oder Micky Maus strömten sie beständig in die Kinderzimmer der Nation. Zunächst schnitt man entlang der vorgezeichneten Linien die einzelnen Bauteile möglichst vorsichtig und akkurat aus, verschnitt sich dabei jedoch schon aus Prinzip mehr als ein Mal. Hatte der Verlag mit etwas Glück an eine Perforation gedacht, riss beim Heraustrennen natürlich mindestens eine wichtige Lasche ab, die es dann mit Tesafilm irgendwie wieder zu restaurieren galt. Anschließend wurde die flinke Flasche gezückt und die einzelnen Teile an ihren meist viel zu kleinen Laschen zusammengeschweißt. Das Ergebnis war dann etwa eine klebrige Spardose, die schon beim Anschauen wieder in ihre Einzelteile zu zerfallen drohte. Aber sie schluckte brav kleine Geldstücke, die über einen ausgeklügelten Mechanismus beim Herunterfallen noch einen Papierarm winken ließen. War das gebastelte Etwas schließlich nach einem Tag komplett in seine Zellulosebestandteile zerfallen, musste man geduldig auf das nächste Heft warten.
Die ausgespuckten Modelle waren mal mehr, mal weniger knifflig nachzubauen: Während Kinderhände mit einem kuriosen Oldtimer mehrere Stunden beschäftigt waren, trieb die zahnradbetriebene Spardose selbst alte Hasen in den Klebstoffwahnsinn. Bastelfehler waren hier jedoch weniger tragisch. Ging einmal etwas schief, ließ man das Modell kurzerhand erneut aus dem Drucker rattern.
Den letzten Pfiff erhielten die Kartonmodelle durch ihre ausgeklügelte Mechanik: So spielten Gummibänder hier und da Motor, kleine Holzstäbchen bildeten Achsen und ein aufgeblasener Luftballon verwandelte sich wahlweise in eine Düse oder eine Dampfmaschine.
Nicht minder kurios sind auch die Sonnenuhr, das mittelalterliche und bis zu 10 Meter weit schießende Katapult oder die Zoetrope, die ähnlich wie ein Daumenkino funktioniert [2]: Ein Betrachter schaut durch schmale Schlitze in einen sich drehenden Zylinder. An dessen Innenwand liegt ein austauschbarer Papierstreifen, auf dem kleine Bilder eine Bewegungsfolge darstellen. Durch die Rotation flitzen die Bilder am Auge vorbei und es entsteht der Eindruck eines flüssig ablaufenden Films. Für Kinder ist dieses Modell besonders interessant, da sich die mitgelieferten Filmstreifen rasch um selbst gemalte Kreationen ergänzen lassen.
Von einigen Bausätzen kannte das Broderbund-Programm zudem noch verschiedene Varianten. So durfte man beispielsweise den Lieferwagen als geschlossenes Modell oder mit einer offenen Ladefläche drucken lassen.
Bei der Papierwahl sollte man daran denken, dass die meisten Modelle nach etwas dickerem Karton verlangen. Das insbesondere früher gerne verwendete Endlospapier ist nicht nur fummeliger zu verkleben, es hält den eingesetzten Mechaniken und Gummibändern auch nur kurz stand. Sofern der Drucker nur dünnes (Endlos-) Papier schluckt, empfiehlt es sich, das Endergebnis vor dem Ausschneiden noch auf etwas dickeren Fotokarton zu kleben.
Nichtsdestotrotz gibt es nach wie vor zahlreiche Fans des Kartonmodellbaus, von denen einige immer mal wieder den Toy Shop für sich entdecken. Dies führt dann wiederum zu lesenswerten Internetseiten, wie etwa der von Michael Bean [1]. Die laufende Spardose findet man mittlerweile sogar als Video unter [3], während einige Bastelfreunde an anderer Stelle eifrig über Verbesserungsmöglichkeiten der Modelle diskutieren [4].
Die Macher |
Erdacht wurde The Toy Shop von Jim Calhoun, der zusammen mit Kyle Wickware
und Michelle McBride auch die Modelle entwarf. Insbesondere Kyle Wickware
ist im Kartonmodellbau kein Unbekannter: Neben den Toy-Shop-Modellen veröffentlichte
er verschiedene Vorlagenhefte, wie beispielsweise das 40 Seiten starke „Make
your Own Working Paper Steam Engine“ aus dem Jahr 1986 (erschienen bei Harpercollins).
Die Programmierung von The Toy Shop übernahmen Glenn Axworthy, Lauren Elliot und Alick Dziabczenko. Letzterer sorgte dabei für die Commodore-64-Umsetzung. Sein Kollege Lauren Elliot hatte ein Jahr zuvor schon die bekannte „Where in ... is Carmen Sandiego?“-Reihe aus der Taufe gehoben, bei der später auch Glenn Axworthy mitmischte. Lauren Elliot war schließlich noch an der Myst-Reihe beteiligt, brachte es sogar zu einem eigenen Wikipedia-Eintrag [7] und trat zuletzt 2007 als Mitbegründer des Social Networks „Personal News Network“ (kurz PNN) in Erscheinung. |
Die Modelle |
Mit The Toy Shop ließen sich folgende Dinge basteln:
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Raus damit! |
Wer jetzt Blut geleckt hat und eines der Modelle nachbauen möchte, steht
schnell vor dem Problem, die Bastelbögen aus dem Programm herauszubekommen.
Besitzer eines realen C64 nebst Nadeldrucker sind hier fein raus. Farbbänder
und (Endlos-) Papier bieten noch viele Internetversender an. Hier reicht
es in der Regel aus, den Namen des Druckers zu googlen und die unterbreiteten
Angebote zu prüfen.
In allen anderen Fällen wird es etwas kniffliger. Die naheliegendste Lösung wäre, die Modelle aus dem Handbuch zu kopieren. Allerdings lassen sich die Baupläne dann nicht mehr individualisieren. Bleibt noch der Weg über einen Emulator wie zum Beispiel VICE. In ihm aktiviert man den emulierten Drucker und leitet die Ausgaben von The Toy Shop in eine Datei um. Um diese wiederum in eine Bilddatei zu konvertieren, hat der erklärte Toy Shop Fan Michael Bean ein kleines, kostenloses Programm gestrickt [5]. Um es zu starten, benötigt man das ebenfalls kostenlose Chipmunk-Basic [6]. Eine Beschreibung des kompletten und ziemlich aufwendigen Verfahrens würde den Rahmen dieses Artikels sprengen. Eine gute, wenn auch englische Anleitung, hat Michael Bean seinem Programm beigelegt. Das Ergebnis ist dann ein Bild, das man mit einem beliebigen Grafikprogramm wie beispielsweise Photoshop nachbearbeiten, kolorieren und ausdrucken kann. Michael Bean schlägt auf seiner Homepage noch eine weitere Möglichkeit vor, für die man jedoch einen weiteren Commodore Computer benötigt [1]. Diesen Helfershelfer programmiert man so um, dass er wie ein Drucker reagiert und alle eingehenden Daten einfach nur abspeichert. Jetzt verbindet man beide Rechner und startet unter Toy Shop den Ausdruck. Die so erhaltene Datei muss man anschließend noch auf den PC transferieren und in ein Bitmap-Bild umwandeln. Dieses Verfahren dauert jedoch wesentlich Länger und ist zudem komplizierter als der Weg über einen Emulator. |
Infos |
[1] Informationsseite zu „The Toy Shop“ von Michael Bean: http://mikeandlace.wordpress.com/2007/12/30/the-toy-shop/ [2] Funktionsprinzip der Zoetrope: http://de.wikipedia.org/wiki/Zoetrop [3] Video der laufenden Spardose: http://video.google.com/videoplay?docid=-6507014360844289205&hl=en [4] Diskussion zum Toy Shop: http://www.papermodelers.com/forum/found-internet/889-toy-shop-20-mechanical-models.html [5] Konvertierungsprogramm, das Toy-Shop-Ausdrucke in Bitmap-Bilder verwandelt: http://www.mediafire.com/?ezjgmgsmexs [6] Chipmunk Basic: http://www.nicholson.com/rhn/basic/ [7] Lauren Elliot bei Wikipedia: http://en.wikipedia.org/wiki/Lauren_Elliott |
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