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The Complete Computer Fireworks Celebration Kit

Durchgeknallter Pyromane

von Tim Schürmann (mit Dank an Georg Fuchs und Arndt Dettke)

Eines der kuriosesten Commodore-64-Programme stammt aus dem Hause Activision. Im Fireworks Celebration Kit darf man nach Herzenslust sein eigenes Feuerwerk basteln - und das nicht nur an Silvester.

Zu Beginn eines jeden Jahres verwandeln sich brave Bürger in kleine Sprengmeister. Böller, Sprühregen und Raketen wollen gezündet und in den dunklen Neujahrshimmel gejagt werden. Im Gegensatz zu seinen professionellen Kollegen steht dem Privatmann jedoch nur eine eher bescheidene Palette an Feuerwerkskörpern zur Auswahl. Riesige Palmen im Zweiminutentakt sind mit der billigen Kaufhausware nun einmal nicht drin. Außerdem wäre es doch schön, wenn man auch mal mitten im Jahr zu Geburtstagsfeiern oder Schulabschlüssen ballern dürfte.

Abb. 1: Auf Standbildern wirkt das Feuerwerk wie ein wirrer Pixelhaufen. Erst in der Bewegung kommt die ganze Pracht zur Geltung.

Einen Ausweg bot 1985 der Spielehersteller Activision mit seinem "The Complete Computer Fireworks Celebration Kit", das fälschlicherweise auch häufig als "Fireworks Construction Kit" durch Presse und Internet geistert. Mit seiner Hilfe bastelten Commodore-64-Besitzer ihr ganz persönliches, wenn auch leider nur virtuelles Feuerwerk. Die abgedrehte Mischung aus Spiel und ernsthafter Anwendung stammte vom Spieledesigner und Programmierer John Van Ryzin. Neben dem "Fireworks Celebration Kit" zeichnete er auch für das beliebte "H.E.R.O." verantwortlich. Seine übrigen Kreationen wie etwa "A Day at the Races", "Draw Poker" oder "F-18 Hornet" versanken allerdings genau so schnell und glücklos wieder in der Versenkung, wie der Baukasten für angehende Pyrotechniker.

Fühlbar

Nach dem Öffnen der Packung fielen dem Käufer des "Fireworks Celebration Kits" erstaunlich viele Gegenstände entgegen. Neben der Programmdiskette und der obligatorischen Anleitung spendierte Activision noch eine Leerdiskette und einen etwas größeren Briefumschlag aus Pappe. Die letzten beiden Zugaben deuten bereits an, wofür das Firework Celebration Kit von seinen Machern eigentlich erdacht worden war. Doch der Reihe nach.

Nach dem Start des Baukastens erscheint zunächst eine kleine Demonstration des Machbaren: Vor einer mehr oder weniger hübschen Skyline steht eine große Leuchttafel, auf der unübersehbar Grußbotschaften dem Betrachter entgegen blinken. Den von Sternen befreiten Nachthimmel durchzucken Lichtblitze, Konfettiregen und kleinere Sprühfontänen. Die Veranstaltung untermalen bekannte, aber recht monoton vor sich hin dudelnde Musikstücke. Nach einer kurzen Zeit schwenkt die Szenerie nach oben, wo Raketen ihre riesigen Leuchtspuren am Firmament hinterlassen.

Damit kennt man bereits den gesamten Funktionsumfang: Entweder man sieht die Laufschrift vor der Silhouette eines Bauwerks oder man darf verwischende Pixel auf schwarzem Grund bestaunen. Erstaunlicherweise macht das Fireworks Celebration Kit dennoch einen Heidenspaß. Hat man sich erst mal mit dem Editor angefreundet, ertappt man sich schnell dabei, wie man bereits seit Stunden an einer ansprechenden Choreographie feilt. Dabei darf man an nahezu allen möglichen und unmöglichen Rädchen drehen: Angefangen bei der Flughöhe einer Rakete über dessen Größe bis hin zu Form und Farbverläufen. Selbstverständlich dürfen Lichtblitze, Donnerschläge und kleinere, langsam zu Boden schwebende Banner nicht fehlen.

Für die passende musikalische Untermalung sorgt eine Auswahl aus 20 bekannten Melodien. Die Themenpalette deckt alle möglichen und unmöglichen Anlässe ab: Angefangen bei "Happy Birthday" über "We wish you a merry Christmas" bis hin zum "Sabre Dance" oder der "William Tell Overture". Wem diese Stücke aus der Feder von Stephen Gaboury nicht gefallen, bindet kurzerhand seine eigenen ein - vorausgesetzt die Eigenkomposition wurde mit dem "Musik Studio" erstellt, selbstverständlich ebenfalls ein Programm aus dem Hause Activision.

Bei den Hintergrundbildern bleibt man leider auf die sechs mitgelieferten beschränkt. Zur Auswahl stehen ein Schloss, ein Freizeitpark mit Riesenrad und Achterbahn, ein normaler Park, ein Schiff der amerikanischen Marine, eine Brücke und die Skyline einer Stadt. Im Vordergrund eines jeden Szenarios steht unverrückbar eine überdimensionale Anzeigentafel. Deren Texte darf man selbst vorgeben und so unterschwellig Glückwünsche, eine Einladung oder ähnliche Botschaften verbreiten.

Abb. 2: Die Benutzeroberfläche des "Firework Celebration Kits".

Wie Abbildung 2 beweist, lehnt sich die Oberfläche stark an "Gerry Kitchens GameMaker" an. Dies kommt nicht ganz von ungefähr, schließlich war John Van Ryzin an der Entwicklung des populären Spielebaukastens beteiligt. Trotz der Ähnlichkeiten bleibt die Bedienung arg gewöhnungsbedürftig. So steuert man den Mauszeiger mit dem Joystick recht unkontrolliert springend durch mehrere Ober- und Untermenüs, die ihre wahre Funktion teilweise nur hinter nichtssagenden Buchstaben verstecken. Mit einer Bewegung des Knüppels bricht man zudem einen versehentlich ausgelösten Vorgang wieder ab. Immerhin erscheint am unteren Bildrand ab und an ein kleiner Hilfetext.

Eingetütet

Um das fertige Feuerwerk auch ohne Hauptprogramm anschauen zu können, erstellt das "Fireworks Celebration Kit" auf Wunsch eine selbstablaufende Fassung. An dieser Stelle kommt nun endlich die eingangs erwähnte Diskette und der Briefumschlag ins Spiel: Das Feuerwerk landet auf der noch jungfräulichen Diskette, welche wiederum im stabilen Briefumschlag verschwindet. Das Ergebnis ist eine hübsche Videogrußkarte, die per Post ihren Weg zum Empfänger findet.

Fazit

Letzterer benötigte zum Anschauen jedoch zwingend einen funktionstüchtigen Commodore 64 mit Diskettenlaufwerk. Dessen damals noch zu geringe Verbreitung war vermutlich auch am schnellen Untergang des Firework Celebration Kit Schuld: Wer einst eine Einladung verschicken wollte, erreichte mit einer Pappkarte nicht nur mehr Gäste, sondern kam dank der hohen Diskettenpreise auch wesentlich billiger davon. Für den endgültigen Todesstoß des Baukastens sorgten schließlich die umständliche Bedienung und eine fehlende Langzeitmotivation. Heutzutage erinnert sich kaum noch jemand an das "Fireworks Celebration Kit". Ein Original mit vorhandener Leerdiskette und Versandtasche dürfte seltener zu finden sein, als ein komplettes Giana Sisters. Alleine schon die originelle Idee hat es jedoch mehr als verdient, nicht ganz in Vergessenheit zu geraten. Aus diesem Grund steht auf unserer Homepage eine kleine Beispielgrußkarte, die hoffentlich Appetit auf mehr macht.

Geführter Rundgang
Als Ausgangspunkt des eigenen Feuerwerks sollte man eines der mitgelieferten Beispiele wählen. Dazu klickt man mit der Hand auf "Load" und wählt, je nach vorliegendem Anlass, eine der präsentierten Choreographien. Die Weihnachts- und Silvestergrüße verstecken sich unter "HOLIDAYS", die Einladungen hinter "Invite" und am Tag der Deutschen Einheit könnte man den amerikanischen 4. Juli "missbrauchen".

Zweimal auf den Feuerknopf und der Ablauf des Feuerwerks erscheint als Liste auf der rechten Seite. Bevor man diesen nun den eigenen Vorstellungen anpasst, wählt man zunächst den Menüpunkt "Scene" und sucht ein passendes Hintergrundbild aus. Das gleiche erledigt ein Klick auf "Songs" für die musikalische Untermalung. In den angebotenen Dateien stecken immer mehrere Lieder zu einem bestimmten Thema. Alternativ importiert man über "Studio" eigene Kompositionen aus dem "Musik Studio". Welches Stück wann abgespielt wird, entscheidet gleich der Ablaufplan. In diesem stehen von oben nach unten alle Ereignisse, die das Fireworks Celebration Kit nacheinander abarbeitet. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse erscheinen immer nur genau drei Ereignisse auf einmal. Die kleinen Symbole weisen auf die Art des jeweiligen Ereignisses hin, eine Note beginnt oder ändert beispielsweise den aktuellen Musiktitel.

Sobald man den Joystick einmal nach rechts bewegt, landet man zunächst auf einer Buchstabenreihe. Hinter jedem dieser Buchstaben verbirgt sich ein Befehl, der das Ereignis rechts daneben verändert. Das "R" entfernt es aus der Liste ("Remove"), das "I" fügt an dieser Stelle ein zusätzliches Ereignis ein ("Insert") und "C" ändert die Art des Ereignisses ("Change").

Eine weitere Rechtsbewegung mit dem Joystick und die Hand landet in der Liste. Dort darf man nun die Parameter des Feuerwerkskörpers, wie beispielsweise das Aussehen oder seine Anzeigedauer verändern. Letztere regelt ein gelber Balken: Je weiter er nach rechts ausschlägt, desto länger dauert das Ereignis.

Sobald der Mauszeiger an den oberen oder unteren Rand des Ablaufplans stößt, scrollt die Liste weiter. Als Orientierungshilfe wurden alle Ereignisse durchnummeriert. Die entsprechende Ziffer steht immer unterhalb der Symbole.

Um nun beispielsweise eine neue Rakete einzufügen, steuert man mit dem Mauszeiger auf eines der "I" und drückt den Feuerknopf. Am oberen Rand blinkt nun "INSERT" auf. An dieser Stelle bleibt noch einmal die Chance, den Vorgang abzubrechen. Andernfalls fügt das Celebration Kit ein neues Ereignis an der aktuellen Stelle ein. Wie das kleine Symbol des Neulings verrät, stoppt es die gesamte Veranstaltung - sicherlich nicht das gewünschte Verhalten. Um dies zu ändern, klickt man auf das nebenstehende "C". Mit einem Druck auf den Feuerknopf schaltet man die verfügbaren Feuerwerkskörper durch. Die Raketen erkennt man an der von gelben Punkten umrahmten Nummer. Hat man die passende gefunden, zieht man den Joystick nach rechts und schraubt an den vorhandenen Einstellungen. Die Vorschau wirft der Punkt "Play" im Hauptmenü an. Das darunter liegende "From" liefert ebenfalls eine Vorschau, startet aber bei einer anzugebenden Position im Ablaufplan.

Möchte man das Feuerwerk als selbstablaufende Videogrußkarte weitergeben, legt man zunächst eine leere Diskette ein und wählt im Hauptmenü "Create". Das Celebration Kit möchte jetzt noch den Namen des Hobby-Pyrotechnikers wissen. Er erscheint später direkt nach dem Start an prominenter Stelle. Ein weiterer Druck auf den Feuerknopf erzeugt eine nicht gerade kleine Programmdatei, die man beispielsweise per E-Mail an alle Empfänger weiterleitet.

Gestaltungstipps
  • Unter den ganzen Feuerwerkskörpern existieren zwei spezielle Ereignisse. Zum einen ist dies die Note. Sie startet ein Musikstück, welches dann im Hintergrund bis zu seinem bitteren Ende weiterläuft. Möchte man es schon vorher abbrechen, erstellt man zum gewünschten Zeitpunkt im Ablaufplan ein weiteres Musikstück und wählt als Lied "Stop Music".
  • Das zweite ungewöhnliche Element ist der Text (das Symbol mit den Buchstaben). Die hier eingetippten Grußworte erscheinen später in der großen Leuchttafel. Sofern in den Einstellungen unter "Scroll" kein Balken zu sehen ist, steht der Text solange still, wie die bei "Timer" eingestellte Zeit angibt. Andernfalls wandert er so schnell von rechts nach links, wie der "Timer" vorgibt. Bei der scrollenden Variante sollte man bei der Texteingabe unbedingt in einem Rutsch durchschreiben, auch wenn ein Wort zur Hälfte in der oberen und zur anderen in der unteren Zeile erscheint.
  • Einige der Feuerwerkskörper erscheinen ausschließlich am Himmel, die anderen nur vor dem Hintergrundbild. Hat man beispielsweise zwei Raketen und dazwischen eine Fontäne eingefügt, zeigt das Fireworks Celebration Kit zunächst die erste Rakete, schwenkt dann nach unten auf die Landschaft, brennt die einsame Fontäne ab und schwenkt wieder nach oben zum Firmament. Dieses Hin und Her dauert recht lange, weshalb man es möglichst vermeiden sollte. In der Praxis hat sich folgende Faustregel bewährt: Solange man einen Text präsentiert, setzt man das Bodenfeuerwerk ein, andernfalls verzichtet man besser darauf. Idealerweise bildet man (thematisch) zusammengehörende Ereignis-Blöcke.
  • Bei Texten sollte man darauf achten, dass zusammengehörende Passagen zeitlich nicht zu weit auseinander liegen. "Zur Geburtstagsfeier" sollte am besten direkt nach "Wir laden ein" erscheinen, damit der spätere Betrachter nicht mehrere Minuten unnötig auf die Folter gespannt wird. Ein Schwenk in den Nachthimmel zwischen den beiden Texten ist ebenfalls eher nervend.

Version 1, veröffentlicht am 04.01.2008

Copyright (C) 2007 Tim Schürmann
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