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Test: Advanced Space Battle

Langsam geht die Welt zugrunde

von Tim Schürmann (mit Dank an Georg Fuchs und Arndt Dettke)

Kommerzielle Spiele erscheinen nur noch selten für den altgedienten Commodore. Gegen diese Leere kämpft bereits seit mehreren Jahren das deutsche Unternehmen Protovision an. Kamen zuletzt nur SuperCPU-Besitzer in den Genuss des grafischen Ballerfeuerwerks "Metal Dust", war diesmal wieder der unfrisierte C64 an der Reihe. Advanced Space Battle heißt der Neuling, der pünktlich zur Breakpoint 2006 ausgeliefert wurde.
Das Strategiespiel schützt eine recht große, weiße Plastikhülle, aus der dem Spieler eine 5-1/4-Zoll-Diskette und ein hochwertiges Handbuch entgegenfallen. Ganz eilige Käufer erhielten als Dankeschön ein Flummi in Form eines Meteoriten. Wie von Protovision gewohnt, erwecken alle Bestandteile einen professionellen Eindruck: Nicht nur der Einleger der schützenden Plastikbox, sondern auch derDiskettenaufkleber und das Handbuch wurden liebevoll gestaltet und professionell gedruckt. Die Anleitung geht ausführlich und lückenlos auf alle Aspekte des Strategiespiels ein. Dessen Grundprinzip ist recht schnell erklärt: Auf einer Sternenkarte gilt es mit Hilfe der eigenen Raumschiffflotte nicht nur möglichst viele Planeten zu erobern, sondern auch gleich noch alle Gegenspieler aus dem Weg zu räumen.

Alles beim Alten

Nach dem Start in einem Emulator oder auf dem realen Brotkasten hat man die Wahl zwischen zwei verschiedenen Spielmodi. Der so genannte Classic-Modus entspricht einer grafisch aufpolierten Variante von "Space Battle Deluxe", das nach wie vor im Internet als Public Domain Software umherschwirrt (zum Beispiel unter [2]). Hier machen dem Spieler bis zu vier menschliche Gegenspieler und ein Computerstratege namens "Deep Jones" die Hölle heiß.
Nachdem man sich für eine mögliche Galaxie und somit eine Anordnung der Sterne zueinander entschieden hat, wählt man noch einen Heimatplaneten und schon kann der Feldzug beginnen. Jeder eroberte Planet produziert weitere Raumschiffe, mit denen man schließlich die Eroberung des gegnerischen Eigentums vorantreibt. Zufallsereignisse sorgen für etwas Abwechslung und zwingen zu neuen taktischen Vorgehensweisen. So greifen schon einmal die Ureinwohner ihre besetzte Umgebung an und einzelne Planeten verändern ihre Lage auf der Karte. Die Abstände der einzelnen Planeten zueinander ist übrigens einer der spielbestimmenden Faktoren: Abhängig von ihrer Entfernung zum Ziel, sind die abgesendeten Raumschiffverbände durchwegs mehrere Spielzüge lang unterwegs.
Als weitere Limitierung stehen jedem Spieler pro Runde nur eine begrenzte Anzahl möglicher Kommandos zur Verfügung. Sobald sie aufgebraucht sind, kommt der nächste Spieler zum Zug. Es will somit wohlüberlegt sein, ob man seine Armada schon jetzt zum Planeten A schickt oder doch lieber erst noch etwas Verstärkung von Planet B herbeiruft. Erst wenn alle Spieler ihre Order platziert haben, berechnet das Spiel die zugehörigen Auswirkungen und zeigt sie auf der Sternenkarte an. Diese rundenbasierte Vorgehensweise wurde auf dem Amiga und PC mit der Battle-Isle-Reihe bekannt und ist im Zuge der Echtzeitstrategiespiele etwas in Vergessenheit geraten.
Eine der beiden wesentlichen Änderungen gegenüber Space Battle Deluxe besteht in einer zusätzlichen, grafischen Sternenkarte. Auf ihr werden alle angestoßenen Aktionen hübsch animiert präsentiert. Dies mag zunächst wie überflüssiger Schnick-Schnack klingen, jedoch lassen sich erst durch dieses Hilfsmittel die Flugrichtung der gegnerischen Raumschiffe sowie ihre ungefähre Truppenstärke erkennen und verfolgen. Auf dem recht kargen Übersichtsbildschirm fehlen diese Informationen völlig.

Aufgebohrt

Eine weitere Neuerung ist der so genannte Advanced-Modus. Hier produzieren die einzelnen Planeten nun nicht mehr nur stupide neue Sternenkreuzer. Stattdessen übernimmt der Spieler das ehemals vom Computer durchgeführte und recht komplexe Ressourcenmanagement. So produzieren die Arbeiter beispielsweise nur unter guten Arbeits- und Umweltbedingungen genügend Nachwuchs. Bleibt der aus, gibt es bald niemanden mehr, der die Raumschiffe zusammenschweißt. Vor einem analogen Problem sitzt man, wenn alle Rohstoffe auf dem Planeten aufgebraucht sind. Forschung und Entwicklung optimieren bei richtigem Einsatz alle Faktoren und erhöhen beispielsweise die Rohstoffausbeute. Das gesamte Management ist so komplex, dass der Computergegner Deep Jones in diesem Betriebsmodus passen muss - so lautete zumindest die Begründung der Programmierer von More.Gore Software für sein Fehlen. Dem Spieler bleibt somit nichts anderes übrig, als sich entweder mit einem Solospiel zu begnügen oder ein paar Freunde zu finden, die einen langen Atem für die nun wesentlich zeitaufwändigeren Partien mitbringen. Glücklicherweise darf man jederzeit den aktuellen Spielstand auf einer Diskette zwischenspeichern.

Abrechnung

Möchte man nicht bis zum bitteren Ende durchspielen, begrenzt man einfach für den präferierten Spielmodus die Rundenanzahl. Das Strategiespiel kürt dann denjenigen zum Gewinner, der nach Ablauf der Spielzeit die meisten Punkte ergattern konnte. Sie ergeben sich im Wesentlichen aus den eroberten Planeten und der Größe der eigenen Raumschiffflotte. Ein mitgelieferter, so genannter Log-Viewer hilft bei einer grafischen Auswertung des Spielverlaufs. Umfangreiche Einführungs- oder Endsequenzen sucht man leider vergeblich.

Tipp
Wer nicht auf Anhieb genügend Freunde für eine Partie Advanced Space Battle findet oder diese nicht genug Zeit am Stück aufbringen können, für den empfiehlt sich ein Spiel über das Internet. Da das Strategiespiel rundenbasiert arbeitet, kann man zwischen den Parteien beispielsweise VICE-Snapshots austauschen.

Meinung

"Advanced Space Battle" hinterlässt gemischte Gefühle. Der Classic-Modus spielt sich recht unkompliziert und rasant. Das Ganze fühlt sich ein klein wenig an, wie eine Runde "Mensch ärgere dich nicht" im Weltraum. Neben den Planetenwanderungen verhindern auch die anderen Zufallsereignisse aufkommende Langeweile. Letztere taucht jedoch zwischen den Runden auf. Dann ist nämlich das große Warten angesagt, wenn der Computer auf der hübschen Sternenkarte jedes einzelne Schiff an seine neue Position bewegt. Mit andauerndem Spiel nerven zunehmend der langsame Bildaufbau und die ebenfalls recht langen Bedenkzeiten von Deep Jones. Nicht viel besser geht ein anderer Programmteil zu Werke, der extrem träge die Auswirkungen der Spielzüge durchkaut. Hier wäre eine Beschleunigungsfunktion oder eine Art Schnellvorlauf wünschenswert gewesen.
Bei der Eingabe der Spielzüge hat man die Wahl, entweder auf der hübschen, grafischen Spielkarte seine Kommandos mit der Maus zusammenzuklicken oder in einem Textbildschirm die entsprechenden Eingaben über die Tastatur loszuwerden. Alleine aus Bequemlichkeit wird man jedoch schnell auf die zuletzt genannte Möglichkeit zurückgreifen. Sie geht nicht nur wesentlich schneller von der Hand, sondern versteckt auch alle Kommandos vor den neugierigen Blicken der herumsitzenden Mitspieler. Nur so bleibt geheim, wie viele Einheiten man zu welchem Planeten schickt. Leider hat diese Form der Eingabe den Charme einer Excel-Tabelle. Gleiches gilt im vollen Umfang für den Advanced-Modus. Hier erscheinen auf dem Bildschirm viele verwirrende Zahlenkolonnen, deren wahre Bedeutung nur das Handbuch enthüllt. Für den Spieler wird dabei nicht direkt ersichtlich, welche Auswirkungen ein gedrehtes Rädchen nach sich zieht. Mit kleinen Grafiken hätte man hier einfach Abhilfe schaffen können - schon die alten Klassiker "Fugger" und "Kaiser" zeigten, wie es besser geht.
Deep Jones eignet sich als Computergegner für eine schnelle Übungspartie oder als Trainingspartner für Einsteiger. Für Letztere disqualifiziert er sich jedoch eigentlich gleich wieder, da der Schwierigkeitsgrad in der aktuellen Version viel zu hoch geschraubt wurde. Der kostenlose Vater "Space Battle Deluxe" schien hier noch ausgewogener zu sein. Laut Handbuch erhält Deep Jones in der kommerziellen Ausgabe ein paar unfaire Vorteile. So startet er beispielsweise mit einer größeren Schiffsflotte als sein menschliches Gegenüber. Hierdurch werden Einsteiger schon nach ein paar Runden schlichtweg überrannt und unnötig unter Druck gesetzt. Hätte man einfach dem Spieler die Vorgabe dieses Startwerts überlassen, wären sogar unterschiedliche Schwierigkeitsgrade möglich gewesen (wie zum Beispiel 50, 100 oder 150 Raumschiffe).

Fazit

Der Classic-Modus macht in der Gruppe viel Spaß und sorgt auch alleine für ein "Nur noch mal eben kurz eine Runde"-Gefühl. Die Neuerungen gegenüber dem Public-Domain-Vorgänger sind spielerisch sinnvoll und nicht nur grafisches Beiwerk. Um die langen Wartezeiten zu verkürzen, sollte man Advanced Space Battle jedoch besser in einem Emulator mit Beschleunigungsfunktion starten.
Die guten Ansätze im Advanced-Modus verstecken sich hinter recht hässlichen und teilweise auch verwirrenden Textschirmen. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, bekommt ein recht umfangreiches und komplexes Ressourcenmanagement geboten, das jedoch aus eben diesem Grund nicht mehr für eine schnelle Mehrspielerpartie zwischendurch taugt.
Wer nun mit dem Kauf von Advanced Space Battle liebäugelt, sollte zunächst einen Blick auf das kostenlose Space Battle Deluxe werfen. Sofern Letzteres gefällt, darf man schon fast blind zum Bestellformular greifen.

Infos 
[1] http://www.protovision-online.de Homepage und Bestellmöglichkeit von Advanced Space Battle.
[2] http://www.protovision-previews.de Downloadöglichkeit von Space Battle Deluxe.

Die Links unter [2] und [3] wurden zuletzt am 23.12.2006 auf rechtswidrige Inhalte und Marken- oder Urheberrechtsverletzungen überprüft. Für die dortigen Inhalte zeigt sich der Autor dieses Artikels nicht verantwortlich.

Version 1, veröffentlicht am 23.12.2006

Copyright (C) 2006 Tim Schürmann
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