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Infidel

Schatzsucher

von Tim Schürmann

Das Textadventure Infidel versetzt den Spieler in das Land der Pharaonen. Als vom Pech verfolgter und von sämtlichen Helfern verlassener Archäologe, kämpft man sich durch eine tödliche Wüste und erkundet eine geheimnisvolle Pyramide - immer auf der Suche nach Ruhm und Reichtum.
Als verkannter Archäologe hassen Sie einen Namen mehr als alle anderen: Craig. In sämtlichen Expeditionen standen Sie immer in seinem Schatten. Stets heimste er den Ruhm ein, stets gab er die Befehle. Doch ein glücklicher Zufall ermöglicht Ihnen endlich eine Revanche. Während Craig außer Haus weilt, erreicht Sie ein Anruf einer Miss Rose Ellingsworth. Ihr Vater, so führt sie aus, sei selbst ein Archäologe gewesen. Seine letzte Expedition hätte ihn an den Nil geführt. Dort wäre er 1920 auf der Suche nach einer bisher unentdeckten Pyramide verstorben. Zu den wenigen Hinterlassenschaft dieser Expedition zähle ein Steinquader, dessen Inschrift auf große Reichtümer und Schätze deute. Nun suche sie nach einem fähigen Archäologen, der mit diesen Artefakten die Suche fortsetzen könne.
Zwar besitzt Miss Ellingsworth kein Geld, um eine Expedition zu finanzieren, dennoch wittern Sie Ihre Chance und nehmen umgehend an. Mit dem Steinquader und einer alten Karte im Gepäck, reisen Sie nach Ägypten. Kaum dort angekommen, geht alles schief, was nur schief gehen kann. Wichtiges Werkzeug wird irreparabel beschädigt, ein Ersatz will einfach nicht eintreffen, das Geld wird knapp und schließlich lehnen sich die angeheuerten Arbeitshilfen auch noch gegen Sie auf. Eines Morgens erwachen Sie mit einem brummenden Schädel und pelziger Zunge. Ihre Arbeiterschaft hat die Gunst der Stunde und die vorabendliche Feier genutzt, um Ihnen K.O.-Tropfen zu verabreichen. Während Sie selbst Ihren wirren Träumen erlagen, verschwanden Ihre treuen Helfer mit Sack und Pack über alle Berge. Ganz auf sich allein gestellt, setzen Sie die Suche nach der Pyramide, ihren Schätzen und dem Ruhm fort.

Reiner Text

Mit dieser Geschichte beginnt Infidel, ein Abenteuerspiel aus dem Hause Infocom. Das klassische Textadventure erblickte erstmals 1983 das Licht der Welt. Es bildete zugleich den Auftakt für die Reihe "Tales of Adventure", zu der sich später auch die spannende Schatzsuche "Cutthroats" gesellte. Im Gegensatz zu allen voran gegangenen Infocom-Spielen war Infidel in seinen Erzählungen sachlicher gehalten. Erheiternde Szenen traten selten auf und wollten meist explizit entdeckt werden.
Obwohl Infidel eindeutig zu den leichteren Abenteuerspielen zählt, wurde es vom Hersteller selbst als "Advanced level", also mittelschwer, eingestuft. Dennoch sollte man vor dem Griff zur Diskette gute Englischkenntnisse mitbringen: Im Gegensatz zu modernen Abenteuerspielen, gibt es in Infidel keinerlei Grafiken. Sämtliche Bilder erzeugen gut geschriebene Texte im Kopf des Spielers. Gesteuert wird Infidel ausschließlich über englische Kommandos, die man über die Tastatur eintippt. Beispiele für derartige Befehle sind das klassische "go west" oder "light the torch with the match". Insgesamt kennt der so genannte Parser - das ist der Programmteil, der für die Auswertung der Befehle zuständig ist - über 600 Wörter. Hierdurch spielt sich Infidel wie ein interaktives Buch. Aus diesem Grund bezeichnet man diese Spielegattung auch als "Interactive Fiction".
Um eine hohe Qualität der Spiele zu sichern, waren bei Infocom fast ausschließlich professionelle Buchautoren sowohl für die Spielgestaltung, als auch für die Geschichten selbst zuständig. So auch im Falle von Infidel, das aus der Feder von Michael Berlyn und Patricia Fogleman stammt.
Bevor Michael Berlyn zu Infocom kam, hatte er bereits mehrere Bücher und sogar ein eigenes Adventure verfasst. Auf einem Apple-Fest lernte er Marc Blank kennen, der ihm schließlich zu einem Job als Autor bei Infocom verhalf. Michael Berlyn war der vierte Angestellte der Firma und schrieb neben Infidel noch die Spiele Cutthroats und Suspended. Über Patricia Fogleman ist weniger bekannt: Infidel war ihr einziges Spiel bei Infocom, für das sie sich zudem nur als Co-Autorin verantwortlich zeigte.

Zahlen, Zahlen, Zahlen 
Infidel versteht 613 verschiedene Wörter, man kann 77 Räume erforschen und insgesamt 57 Objekte manipulieren. Die eigentlich unendliche Wüste besteht intern tatsächlich nur aus 10 Räumen und es soll angeblich 40 verschiedene Wege in den Tod geben (vgl. [2]).

Grabbeigaben

Neben der hohen Qualität der Geschichten, wurden die Infocom Spiele nicht zuletzt auch durch ihre zahlreichen und schön gestalteten Beigaben berühmt. Im Falle von Infidel bestanden diese aus einem "Expedition Log", das zusammen mit einem Brief samt Briefumschlag an Miss Ellingsworth, atmosphärisch geschickt in die Geschichte einführt. Darüber hinaus erhielt der Käufer eine Landkarte der Ausgrabungsstädte, gedruckt auf einem pergamentartigem Papier. Aus dem gleichen Material bestand eine kleine Übersetzungstabelle bereits bekannter Hieroglyphen, sowie eine Abzeichnung der Steinquaderinschrift. Diese Beigaben waren nicht nur lustige Gimmicks, sondern dienten gleichzeitig als eine Art Kopierschutz. So war einzig auf der beiliegenden Karte der Fundort der Pyramide eingezeichnet. Raubkopierer würden ohne diesen Anhaltspunkt ziellos in der trockenen Wüste umherirren. Mit Hilfe der Hieroglyphen und etwas Gehirnschmalz konnten weitere Hieroglyphen entziffert werden, die wiederum wertvolle Hinweise auf die Lösung verschiedener Rätsel preis gaben.
Veröffentlicht wurden mindestens zwei verschiedene Versionen. Eine in der ursprünglichen, so genannten "Folio"-Packung und eine Wiederveröffentlichte in einer grauen Box mit roten Querstreifen im Hintergrund. Beide Versionen unterscheiden sich durch ihre Beigaben: In der ursprünglichen Variante umfasst der Brief an Miss Ellingsworth fünf statt zwei Seiten und man erhielt zusätzlich das Magazin "True Tales of Adventure".
Der Hersteller dieser Verpackungsbeilagen Giardini/Russell sorgte sogar für den heutigen Namen des Spiels. Ursprünglich firmierte das Adventure unter dem Namen "Pyramid". Dies klang den Leuten bei Giardini/Russell zu langweilig und fade. Aus diesem Grund schlug man Infidel, zu Deutsch Ungläubiger, vor. Dieser Name gefiel wiederum Infocom nicht, da er zu sehr an Kreuzzüge erinnerte - und somit an ein vollkommen anderes Thema. Nachdem man jedoch bei Infocom die Verpackungsentwürfe mit dem Schriftzug sah, änderte man seine Meinung und passte sogar die Geschichte in kleinen Teilen an (vgl. [3]).

Kritik

Infidel hinterließ bei vielen Spielern gemischte Gefühle. Es war eines der wenigen Spiele, die den Charakter und die Persönlichkeit, der vom Spieler eingenommene Person so stark beschrieben und hervorhoben. Viele Kritiker wandten ein, dass man sich nicht gut mit dieser Figur identifizieren könne. Auf diese Sachverhalte angesprochen, antwortete Michael Berlyn in einer, am 18. Juli 1984 geführten Online-Konferenz (vgl. [5]): "[...] Adventures are so so STERILE!.  That's the word.  And I want very much to make them an unsterile experience." (Adventures sind so steril - und ich möchte sie zu einer unsterilen Erfahrung machen). Weiter gibt er indirekt zu, dass der Protagonist in Infidel nicht funktioniert ("I never claimed the protagonist works in Infidel" - Ich habe niemals behauptet, der Protagonist in Infidel würde funktionieren) und er sogar selbst das Spiel hasst ("I hate the game, myself"), wenn auch aus anderen Gründen. Der Hauptkritikpunkt war jedoch das dramatische und für ein damaliges Abenteuerspiel doch recht unübliche Ende.
Über seine Arbeit an Infidel sagt Berlyn: "Some of the problems I faced in this game are What kind of a human being would even WANT to ransack a national shrine like a pyramid?.  And once I asked myself that question, I was sunk and there was no turning back.  It wasn't even a game I wanted to write." (Einige der Probleme in diesem Spiel sind: Was für eine Art von menschlichem Wesen würde es WOLLEN ein nationales Heiligtum, wie eine Pyramide zu plündern. Und als ich mir diese Frage gestellt hatte, war ich versunken und es gab keinen Weg zurück. Es war noch nicht mal ein Spiel, das ich schreiben wollte.)

Stand der Dinge

Nachdem Infocom in finanzielle Schwierigkeiten geriet, kaufte Activision die angeschlagene Firma. Somit sind alle Infocom Adventures - so auch Infidel - nach wie vor urheberrechtlich geschützt und bis auf die drei Zork Spiele keine Freeware. In den Internetauktionshäusern tauchen die alten Adventures aber noch regelmäßig auf. Dies gilt erst recht für die später von Activision veröffentlichten Spiele-Sammlungen. Letztere müssen aber ohne die netten Beigaben der Originalschachteln auskommen.

Fehlerquelle 
In Infidel gibt es eine Reihe von Fehlern (so genannte Bugs), die einem das Leben recht schwer machen können. Da es nur eine Version von Infidel gab, wurden diese Fehler auch niemals behoben (vgl. auch [1] und XYZZYnews [4]):
  • Man benötigt beide Hände, um den Masten des Bootes zu nehmen. Daher muss man die Fackel in das "knothole" stecken. Wenn man nun den Keil ("shim") entfernt und dann wieder auf das "main deck" geht, kann man den Stamm entfernen - egal, was man dabei in der Hand hält.
  • Der Baumstamm ("beam") tendiert dazu, immer wieder auf das "Central Deck" zurückzukehren. Egal, was man mit dem Stamm macht, er wird immer wieder an seinem Ausgangspunkt erscheinen. Man kann ihn verbrennen, über Bord des Bootes werfen oder im Nil versenken. Sogar wenn man den Stamm in die Nischen legt, kehrt er als unsichtbares Objekt zurück ("look" funktioniert dann zwar nicht, mit "examine" kann man ihn aber wieder betrachten).
  • Die Fackel ("torch") kann man mit den Streichhölzern per "light the torch" überall im Spiel anzünden - sogar, wenn die Fakel überhaupt nicht anwesend ist.
  • Man fällt in ein Loch mit Ratten, wenn man den "Beam" in die Nischen gestellt hat und dann irgendwo "get beam" aufruft.
  • Das Füllen einer bereits vollen "silver chalice" führt zu der Meldung "The silver chalice is filled with water. The silver chalice is now empty." Dies funktioniert aber nur, sofern die Feldflasche (canteen) nicht voll ist. Den gleichen Fehler erzeugt die "golden chalice".
  • Ein weiterer Fehler wird als "Container-Bug" bezeichnet. Sein Name rührt daher, dass nur Objekte betroffen sind, in die man etwas hinein packen kann. Legt man zum Beispiel den Rucksack in die "silver chalice" und diese dann wiederum in den Rucksack, verschwinden beide Objekte aus dem Spiel.
  • Wickelt man Gegenstände in die Karte ("map") ein, und packt sie aus, erhält man die erste, ausführliche Beschreibung eines Objektes. Normalerweise sollte in diesem Fall nur die kurze Beschreibung ausgegeben werden.
  • An einigen Orten in der Wüste bekommt man beim Hochschauen ("look up") die Beschreibung "You see stones. What else?". Diese dürfte aber nur innerhalb der Pyramiden gegeben werden.

Haben Sie mal probiert... 
Das Infocom eigene Lösungsbuch, die so genannten InvisiClues, schlagen vor, folgendes einmal auszuprobieren:
  • Die Innenseite des Streichholzkärtchens lesen (read the inside of the matchbook)
  • Den Coupon lesen (read coupon)
  • Den Coupon ausfüllen (fill out the coupon)
  • Den Coupon versenden (send coupon)
  • Am Nilufer schwimmen gehen
  • Mehrfach aus dem Nil trinken
  • Die Feldflasche mit Sand füllen, entleeren, mit Wasser füllen und dann aus ihr trinken
  • Das Feldbett (cot) im eigenen Zelt falten, nach draußen tragen, dort wieder aufbauen und auf ihm schlafen
  • Die folgenden Dinge tun: eat self, dring self, kill self, find self, take self, examine self, rub self, play self, get on self, clean self, close self, leave self, drop self, follow self, search self, smell self, make self, wear self.
  • Dem Flugzeug zuwinken (wave plane)
  • Die Planke entlang gehen
  • Auf die Kiste setzen, in der die "Navigation Box" geliefert wird
  • Die Kiste mit der Axt "attackieren"
  • Beten (pray)

Die Punkteverteilung 
Die InvisiClues zu Infidel verraten, wie viele Punkte wann vergeben werden. Maximal können 400 Punkte erreicht werden:
Für das Finden der folgenden Gegestände:
  • Je 5 Punkte für den diamond cluster (in Room of Nephthys), emerald cluster (in Room of Isis), opal cluster (in Room of Neith), ruby cluster (Room of Selkis)
  • 15 Punkte für den beam (Barge)
  • Je 15 Punkte für golden chalice (Golden Alcove), silver chalice (Silver Alcove)
  • 10 Punkte für das ancient book (Annex)
  • 10 Punkte für den scarab (Treasury)
Und das Durchführen folgender Aktionen:
  • 5 Punkte für das Aufbrechen des Schlosses der Truhe im eigenen Zelt
  • 25 Punkte für das Finden der Pyramide (nach dem Graben)
  • 20 Punkte für die Öffnung des Durchgangs zur Pyramide, indem man den Steinquader in die Öffnung einsetzt
  • 30 Punkte für das Betreten des Circular Room
  • Je 25 Punkte für das Betreten der Räume Room of Isis, Room of Neith, Room of Nephthys, Room of Selkis
  • 25 Punkte für das Entfernen der Steine aus dem Panel im Cube-Raum
  • 10 Punkte für die Zerstörung des Stucks/Verputzes am Ende der Stufen
  • 25 Punkte für die Zerstörung des Stucks/Verputzes am westlichen Ende der Narrow Passageway
  • 40 Punkte für das Öffnen der versiegelten Tür in der nördlichen Antechamber
  • 35 Punkte für die Öffnung des Sarkophags

Infos 
[1] http://hometown.aol.com/graemecree/infobugs/infidel.htm
[2] The New Zork Times Vol. 3 No. 2, Spring 1984
[3] The New Zork Times Vol. 3 No. 1, Winter 1984
[4] http://www.xyzzynews.com/
[5] http://www.ifarchive.org/

Die Links wurden zuletzt am 23.12.2004 auf rechtswidrige Inhalte und Marken- oder Urheberrechtsverletzungen überprüft. Für die dortigen Inhalte zeigt sich der Autor dieses Artikels nicht verantwortlich.

Version 1, veröffentlicht am 23.12.2004


Copyright (C) 2004 Tim Schürmann
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